Jugendfußball ohne die Unterstützung der Eltern ? Funktioniert nicht ! Jedoch kommt es gerade mit diesen häufig zu Konflikten. Wie man diese vorbeugen kann, verrät uns Susanne in diesem aufschlussreichen Interview.
1. Hallo Susanne, kannst du uns kurz erzählen wer du bist und was du genau machst ?
Ich bin Coach für Fußballer-Eltern und Trainer und berate Vereine darin eine effiziente Kommunikation zwischen Eltern und Trainern zu schaffen. Ich habe von der F- bis über die A-Jugend hinaus unseren Sohn im Jugendfußball begleitet und gesehen, dass gerade dieser Bereich ausbaufähig ist und viele Eltern wenig über den Fußball wissen. Hier biete ich durch mein Fachwissen als systemischer Coach und Mediator und mein Erfahrungswissen als Mutter eines fußballspielenden Sohnes Unterstützung. Aus dem Grund habe ich auch mein Buch „Ins Netz gegangen“ geschrieben.
2. Lass uns direkt auf dein Buch eingehen. Worum geht es in dem Buch und hast du es aus einem bestimmten Grund geschrieben ?
In meinem Buch beschreibe ich den Jugendfußball aus meiner Sicht, wie ich ihn wahrgenommen habe. Wir hatten viele tolle Erlebnisse, standen aber oftmals auch vor Herausforderungen und Problemen und wussten nicht, wer uns unsere vielen Fragen beantworten kann. Von den Vereinen gab es wenig Unterstützung in diese Richtung. Daher soll mein Buch einen Einblick in den Fußballkosmos geben, soll zeigen, wie sich ein Weg entwickelt, wie man mit bestimmten Themen umgehen kann oder auch nicht. Das Buch ist kein klassischer Ratgeber, sondern ein Erfahrungsbericht für Eltern, Trainer und Betreuer, der Tipps, Impulse und die „andere“ Perspektive gibt.
3. Gerade in den sozialen Medien liest man immer wieder, dass sich gerade Eltern im Kinderfußball Bereich oft daneben benehmen. Kannst du dies bestätigen oder hast du es selbst schon einmal erlebt ?
Ich tue mich schwer damit, dass unfaires Verhalten so oft an den Eltern festgemacht wird, denn es gibt ebenso viele Trainer, die brüllend, beleidigend und schimpfend am Spielfeldrand stehen wie Eltern. Und ja, beides habe ich erlebt.
4. Kannst du uns aus Elternsicht erzählen, warum immer wieder diese Emotionen am Spielfeldrand zustande kommen ? Spielt eventuell der Trainer dabei auch eine Rolle ?
Fußball ist ein emotionaler Sport. Das kann man jedes Wochenende wunderbar in den Stadien sehen, wenn sich Tausende die Seele aus dem Leib brüllen, mitfiebern oder Tränen vergießen. Generell finde ich das Thema vielschichtig. Erst einmal ist es Typabhängig. Wir haben die HB-Männchen ebenso neben dem Platz wie auch die Sutsche-Typen. Dazu kommt, dass Eltern natürlich immer das Wohl ihres Kindes im Blick haben und wollen, dass es ihm gutgeht und es glücklich ist.
Hindernisse, Probleme werden leider heutzutage viel zu schnell aus dem Weg geräumt. Und einige können es schwer aushalten, ihr Kind in so einer Situation zu erleben. Bleibt die Frage, was der Grund dafür ist. Denn es geht dabei nicht mehr in erster Linie um das Kind, sondern um das eigene Gefühl. Viele Eltern definieren sich über ihr Kind, über seinen Erfolg, hatten vielleicht früher selber mal eine Fußballkarriere im Blick. Da kann der Abstand schon schwerfallen.
Ebenso kann es auch Trainern ergehen. Sie wie auch Eltern sollten im Verhalten am Spielfeldrand eine Vorbildfunktion haben. Doch leider werden einige dem nicht gerecht. Die FairPlayLiga, initiiert vor 13 Jahren von Ralf Klohr hat im Jugendfußball schon ihre Berechtigung. Und unfaires Verhalten findet sich in vielen Bereichen unserer Gesellschaft wieder …
5. Was empfiehlst du Trainern im Umgang mit den Eltern ? Gibt es eventuell Tipps, um eine gute Elternschaft zu schaffen ?
Kommunikation! Damit das gelingt müssen sich beide erst mal kennen. Eltern wie auch Trainer wissen oftmals gar nicht, wie sehr sich der andere aufreibt und stresst, damit die Kinder kicken können. Die Sicht aufeinander ist in den meisten Fällen negativ belegt. Ich breche es mal ganz einfach runter … Der Trainer sieht die Eltern oft als den nervigen Faktor am Spielfeldrand, der immer unzufrieden ist. Die Eltern sehen im Trainer denjenigen, der es nicht richtig macht, nicht weiß, was in ihrem Kind drinsteckt, auf welcher Position es eigentlich spielen sollte, etc.
Was hier nicht vorhanden ist, ist gegenseitige Wertschätzung. Wie kann die gelingen? Durch Information und Transparenz meiner Arbeit. Denn dann verstehe ich, was der andere macht, kann auch bestimmte Momente besser einschätzen und akzeptieren. Dann ist ein Gespräch auf Augenhöhe möglich, das beide auch kritische Themen gut meistern läßt.
Konkret heißt das für Trainer: Erklärt genau den Eltern Euer Konzept, Eure Arbeit; formuliert, was ihr wollt; wo ihr Elternhilfe benötigt; stellt klare und verständliche Regeln auf; signalisiert Kommunikationsbereitschaft, aber nach Regeln … Gerade dem Thema Spielzeit kann man so im ersten Elternabend bereits den Wind aus den Segeln nehmen …
6. Du hast selbst miterlebt, wenn das eigene Kind in ein Nachwuchsleistungszentrum wechselt. In welchem Alter war das bei eurem Sohn ?
Unser Sohn ist mit 14 Jahren in der C- Jugend ins NLZ gewechselt.
7. War für euch sofort klar, dass ihr diese Chance nutzen wollt ?
Nee, Joshua hat sich erst mal ein paar Tage Zeit gelassen, viel mit uns geredet, sich seine Gedanken gemacht bis er das Probetraining
angenommen hat. Für ihn war es dann so eine Art „Bestandsaufnahme“ seiner Leistung, durch die er sehen konnte, wo er steht. Er hat es wirklich als Chance gesehen und er wie auch wir waren offen dafür, was sich daraus entwickeln wird …
8. Was hat sich nach dem Wechsel in das NLZ für euch geändert ?
Meinem Mann und mir war überhaupt nicht bewusst, was so ein NLZ ist und was auf uns zu kommen wird. Ich dachte, er wechselt in einen anderen Verein und alles bleibt wie es ist. Er hatte ab sofort mehr Training, die Anfahrt war weiter und durch die Ganztagsschule schwer für ihn alleine zu bewältigen, so dass ich sie gemeinsam mit ihm organisieren musste. Der Fußball hat noch mehr Raum in unserem Familienleben eingenommen, z. B. kurzfristige Änderungen von Trainingszeiten, Ferienplanung nach Trainings- und Vorbereitungszeiten.
Ich habe schnell gemerkt, dass die Leichtigkeit, die Lockerheit flöten ging. Es gibt schon Leistungserwartungen an die Spieler, die erfüllt werden müssen und sollen. Man trifft auf Mitspieler, die alle so gut oder besser sind als man selbst, man spielt vielleicht nicht jedes Wochenende, hat mal einen Durchhänger, der einen hier schnell den Stammplatz kosten kann, etc. Als Elternteil wird man schnell zum Mentaltrainer. Gleichzeitig erhalten die Spieler komplette Ausstattungen, haben gute Trainingsbedingungen, unterschiedliche Trainer, Physiotherapeut vor, während, nach dem Training, etc. Es wird ihnen schon ein bisschen der Puderzucker in den Popo gepustet 🙂
9. Habt ihr von Anfang an darüber gesprochen, dass es auch sein kann, nach einigen Jahren aussortiert zu werden?
Ja, so wie wir darüber gesprochen haben, haben wir auch mit Joshua darüber geredet, dass er für sich entscheiden kann, wie lange er
Fußball spielen wird. Für meinem Mann und mich war immer wichtig, dass Joshua sieht, dass er einen Handlungsspielraum hat, nicht alles nur von einem Trainer abhängt. Er hatte z. B. kurz vor dem Wechsel ins NLZ eine Phase, wo er keine Lust mehr hatte. Für uns wäre es kein Problem gewesen, hätte er aufgehört. Durch die neue Perspektive ist er geblieben …
Ich finde es in dem Zusammenhang wichtig, von einer Saison zur nächsten zu schauen und die Zeit zu genießen. Spaß zu haben, Erfahrungen zu sammeln, mitnehmen, was geht, denn diese Zeit kann dem Spieler niemand mehr nehmen. Und da es im Fußball keinen gradlinigen Weg gibt, ist der Ausstieg aus dem NLZ auch nicht das Aus. Natürlich abhängig davon, wie der Spieler, seine Eltern, sein Umfeld damit umgehen und ihn stützen. Ich finde, dass uns Eltern hier eine große Aufgabe zufällt. Wir begleiten unsere Kinder ihrem Traum/Ziel zu folgen, doch ist es wichtig, dass wir die Bodenhaftung nicht verlieren, realistisch bleiben. Gelingt uns dass, sind wir wertvolle Begleiter.
10. Wie lange ist euer Sohn im NLZ geblieben und hat es am Ende mit dem Traumberuf „Fußballprofi“ geklappt ?
Unser Sohn hat von der C- bis Ende A-Jugend in der Jugend-Bundesliga gespielt, ist danach in eine Seniorenmannschaft gewechselt. Während dieser Zeit hatte er zwei Mal die Möglichkeit, seinen Weg zu den Profis fortzusetzen, hat sich Anfang 2018 aber entschieden, mit dem Fußball auf diesem Level aufzuhören. Es war seine Entscheidung , daher auch kein wirklicher Rückschlag.
11. Ist Joshua trotzallem dem Fußball treu geblieben ?
Seine Leidenschaft gehört noch immer dem Fußball und er kickt noch ab und zu, hat noch einige Freunde aus der Zeit. Doch genießt er es, nach 13 Jahren nicht mehr mehrmals die Woche zu einer festen Zeit auf einem Platz stehen zu müssen. Über seine Freizeit selbst zu bestimmen, gefällt ihm gerade äußerst gut.
12. Was empfiehlst du Eltern, wenn das Angebot aus dem NLZ lockt ?
Sich erst einmal gemeinsam freuen und wertschätzend seinem Kind gegenüber zu sein, egal, was sich aus dem Angebot ergibt. Denn es hat schon etwas ganz Tolles erreicht und sich erarbeitet. Trotz aller Freude sollte man dann genau hinschauen und sich folgende Fragen beantworten:
– Will das Kind in ein NLZ? Wenn ja, wieso?
– Was sind die Gründe?
– Weiß es, was auf es zu kommt (außer das Wappen eines Bundesligisten auf der Brust zu tragen) ?
– Welche Erwartungen verbindet er mit dem Wechsel?
– Wird es die Anforderungen des NLZs mit der Schule verbinden können?
Gleichzeitig sollten sich auch die Eltern mit folgenden Fragen ehrlich auseinandersetzen:
– Wie wichtig ist mir als Elternteil das Angebot?
– Welchen Stellenwert hat das Thema in der Familie?
– Wie fühle ich mich, wenn mein Kind nach einem Jahr wieder gehen wird?
– Wie wichtig ist der Erfolg? Innerhalb der Familie, aber auch in der Außenwelt?
– Was sagen die Geschwisterkinder dazu? Sorgen?
Hierzu würde ich mir wünschen, dass NLZ wie auch der Heimatverein Eltern und Spieler über die neuen Herausforderungen, die sich alle Beteiligten zustellen haben, informieren, so dass Eltern nicht ebenso unwissend wie wir in dieses System einsteigen. Das würde viele Probleme im Vorfeld erst gar nicht entstehen lassen.
13. Würdest du sagen, dass es Sinn macht, sein Kind so früh wie möglich in einem NLZ unterzubringen ?
Das sollte jeder für sich selbst und mit seinem Kind entscheiden. Ich persönlich hätte unseren Sohn kein Jahr früher in ein NLZ gegeben. Früher Leistungsdruck, Leistungsschwankungen durch pubertäre Entwicklungen, Verzicht auf eigene Bedürfnisse, Zusammenspiel von Schule und Fußball um nur einige Aspekte zu nennen, sind Gründe, die eine kontinuierliche fußballerische Leistung beeinflussen können. Die können dann schnell dazu führen, dass ein Spieler ein NLZ verlassen muss.
Ich persönlich glaube auch, dass wenige Spieler, die bereits mit 10/11 Jahren in ein NLZ wechseln, diese enge Struktur mit wenig Entwicklungsspielraum bis über die A–Jugend hinaus durchlaufen. Die werden irgendwann „ausbrechen“ und sich selber finden wollen. Dem sollte man sich bewusst sein, wenn man über einen frühen Wechsel nachdenkt. Auch wenn die Entwicklung dahin geht, gab es in der Vergangenheit auch gute Gründe dafür, erst ab der D- bzw. C- Jugend zu wechseln.
Vielen Dank für das tolle Interview Susanne. Spond wünscht dir und deiner Familie alles gute für die Zukunft.
Das Buch „Ins Netz gegangen“ von Susanne Amar erhaltet ihr HIER: